(Montag, 21. Mai 2007, 10.30 Uhr, Berlin) Der Jahresmittelstandsbericht 2007 zeigt deutlich: Die Bundesregierung ist gut beraten, die politische Neuausrichtung zu Gunsten des Mittelstandes fortzusetzen. Es sind ja gerade unsere mittelständischen Unternehmer, die für mehr Beschäftigung sorgen, wenn die Konjunktur anspringt - wie in einigen Branchen bereits seit dem vergangenen Jahr zu beobachten ist. So ist es der Mittelstand, der schon jetzt die Weichen auch für mehr Ausbildung stellt - allein das Handwerk hat bis Ende April schon 3000 Lehrverträge mehr als im Vorjahr zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen.
Ich unterstreiche in diesem Zusammenhang noch einmal, was Herr Conzen ausgeführt hat: Gesellschaftliches Engagement muss die Politik nicht bei uns einfordern. Gesellschaftliches Engagement wird im Mittelstand gelebt. Das ist Teil unseres Selbstverständnisses.
Und deshalb erwarten wir selbstbewusst - um es auf die aktuelle politische Diskussion zu beziehen -, dass die Unternehmenssteuerreform auch auf den Mittelstand ausgerichtet wird und sie Personenunternehmen gleichermaßen entlastet wie Kapitalgesellschaften. Mein Kollege Conzen hat bereits darauf verwiesen: Es gibt Licht, aber auch noch Schatten beim vorliegenden Gesetzesentwurf, der in dieser Woche im Bundestag abgestimmt wird.
Die AG Mittelstand hat immer wieder deutlich gemacht, dass Nachbesserungen notwendig sind. Investitionsrücklage und Thesaurierungsrücklage müssen attraktiver gestaltet werden. Bei den jetzigen Bedingungen wird eine Mehrheit der Personenunternehmen diese Maßnahmen nicht nutzen können. Die für diese Maßnahmen vorgesehenen Finanzmittel würden dann nur zu einem geringen Teil tatsächlich abgerufen werden - die angepeilte Entlastung im breiten Mittelstand bleibe aus. Vor allem die Bundesländer sollten daher die Vorlage zur Thesaurierung nochmals überprüfen - es geht hier schließlich um die Stärkung der Betriebe bei Eigenkapitalbildung und Investitionen. Wir kommen ja auch nicht als Bittsteller: Immerhin zeigt die Steuerschätzung, dass die veranlagte Einkommensteuer gerade auch der Personenunternehmen am stärksten steigen wird (auf 22,2 Milliarden Euro in diesem Jahr von 17,6 in 2006).
Die gute Konjunktur darf die Politik nicht dazu verleiten, auf dringend notwendige weitere Reformen zu verzichten. Wachstum und mehr Beschäftigung sind kein Selbstläufer. Zumal längst nicht alle Branchen in Deutschland gleichermaßen von der besseren Konjunktur profitieren. Die konsumnahen Wirtschaftsbereiche leiden 2007 vielfach noch unter der Kundenzurückhaltung nach der drastischen Mehrwertsteuererhöhung.
Es ist daher nicht realistisch, die Wachstumszahlen einfach über Jahre fortzuschreiben und mit Blick auf die vermeintlich so sichere rosige Zukunft eine Senkung von Krankenkassen- und Rentenbeiträgen zu versprechen. Die bisherigen Reformen zur Gesetzlichen Krankenversicherung führen offensichtlich nicht zu Beitragssenkungen - hier besteht großer Nachholbedarf für zielgerichtete Beschlüsse. Der sehr arbeitsintensive Mittelstand drängt hier weiter auf die Abkoppelung vom Arbeitsverhältnis.
Eine kurzfristige Senkung der Beiträge ist dagegen bei der Arbeitslosenversicherung möglich. Hier gibt es dank der guten Finanzlage der Bundesagentur bereits heute genug Spielraum dafür. Die AG Mittelstand fordert die Große Koalition auf, die Beiträge auf 3,5 Prozent zu reduzieren. Die Beitragszahler, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sollten die zuviel eingezahlten Milliarden so schnell wie möglich zurück erhalten. Das kurbelt die Konjunktur an und senkt die Lohnzusatzkosten. So werden das Wachstum und der beginnende Beschäftigungsaufbau stabilisiert.
Weitere Reformen können dazu führen, in zwei Jahren den Beitrag noch stärker zu senken. Viele Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind untauglich, um zu einer Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt zu führen. Forschungsinstitute, darunter das IAB der Bundesagentur für Arbeit, haben nachgewiesen, dass in vielen Fällen der Weg zu einer regulären Beschäftigung sogar verzögert oder versperrt wird. Der Instrumentenkasten muss daher ausgemistet werden. Auch damit die Vermittlung in reguläre Jobs, die im beginnenden Aufschwung Vorrang haben muss, nicht weiter behindert wird. Wenn ein Vermittler sich bei jedem Vorgang erst durch Bestimmungen zu 80 Förderinstrumenten kämpfen muss, verliert er zu viel wertvolle Zeit. Aus der Politik habe ich den Slogan "Aus 80 mach 8" (Instrumente) gehört.
Dieses Ziel sollte die Große Koalition verfolgen - damit würden die dringlichen Appelle des Mittelstandes endlich gehört. Neue, zusätzliche Programme wie die von der Bundesregierung vorgesehenen 100.000 Jobs für Langzeitarbeitslose dürfen nicht mehr aufgelegt werden. So plant beispielsweise die Landesregierung in Berlin schon den Einsatz von zunächst 2500, später bis zu 10.000 sogenannten "sozial" Beschäftigten - zu großen Teilen soll dies in handwerklichen Bereichen geschehen. Es kann doch nicht sein, dass Jobs für Langzeitarbeitslose vom Steuer- und Beitragszahler finanziert werden, um Handwerkern ihre Arbeit zu nehmen! Renovierung und Modernisierung von Kitas, Schulen, Sporthallen, Senioreneinrichtungen und Wohnsiedlungen, oder auch Hausmeisterdienste - das sind Infrastrukturaufgaben, die an reguläre Unternehmen vergeben werden müssen.
ABM, 1-Euro-Jobs und jetzt die "soziale Beschäftigung" führen auch die Beteiligten nur in eine Sackgasse. Dabei haben sich ihre Chancen verbessert: Im vergangenen Jahr wurden rund 650.000 neue sozialversicherungspflichtige Jobs in Deutschland geschaffen. Von diesem Beschäftigungsaufbau profitieren auch qualifizierte ältere Langzeitarbeitslose, da in einigen Branchen bereits ein Mangel an Fachkräften eingetreten ist. Qualifizierung ist der Königsweg, auch Langzeitarbeitslosen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen.
Der Mittelstand reagiert - wie schon kurz angesprochen - im Bereich Ausbildung bereits auf die angesprungene Konjunktur. Die Zahl der Lehrstellen steigt, allein im Handwerk bis Ende April um rund 13 Prozent. Die Wirtschaft ist sehr zuversichtlich, 2007 auch die deutlich erhöhten quantitativen Ziele des Ausbildungspaktes zu erfüllen. Aber der beschäftigungsintensive Mittelstand macht sich Sorgen um die Zukunft des Standortes Deutschland. Es fällt den Betrieben immer schwerer, eine ausreichende Anzahl Fachkräfte auszubilden. Denn viele Lehrstellen bleiben unbesetzt, da es keine geeigneten Bewerber gibt. Deutschland lebt von seinen innovativen und qualitativ herausragenden Produkten und Dienstleistungen. Wir können es uns daher nicht leisten, dass weiter ein Viertel eines Jahrgangs die Schulen verlässt und nicht ausreichend Lesen, Schreiben und Rechnen beherrscht. Der Vorschlag des Handwerks für eine nationale Bildungsinitiative zielt auf die Mitverantwortung von Politik, Schule, Eltern, aber auch Wirtschaft ab. Wir müssen früh beginnen - etwa mit einem verpflichtenden Vorschuljahr. Damit alle Kinder gleiche Startchancen haben - gerade auch Migrantenkinder.
Der ausführliche Jahresmittelstandsbericht versorgt Interessierte mit Fakten und detaillierten Argumenten zu diesen Themen. Zum Bereich Bildung haben wir in diesem Jahr ganz bewusst einen Schwerpunkt gesetzt. Qualifizierung ist aus Sicht des Mittelstandes das herausragende Thema, wenn es um die Zukunftssicherung Deutschlands und unsere innovative Kraft im internationalen Wettbewerb geht.
Der Mittelstand hofft auf viele Nutzer unserer Impulse - gerade in der Politik. Denn unsere Betriebe sind auf eine zukunftsorientierte politische Rahmensetzung angewiesen.
Vielen Dank.